Fasten und 500 km gehen – ein mutiges Experiment aus dem Jahr 1964

Wanderer Ausschnitt
Aneta Pissareva
Aneta Pissareva

Ärztlich anerkannte Fastenleiterin, Fastenwelt-Ausbildnerin und diplomierte Mentaltrainerin

Der große Fastenmarsch – so heißt ein Kapitel in Dr. Ralph Birchers* Buch „Geheimarchiv der Ernährungslehre“. Wie das Wort selbst schon vermuten lässt, ist ein Fastenmarsch ein Fußmarsch, der fastend durchgeführt wird.

Warum dieser Begriff essentiell mit dem Wissen um unsere Selbstheilungskräfte verbunden ist und wie uns die Hintergründe über das Experiment helfen können, die Physiologie unseres Körpers noch besser zu verstehen, wollen wir uns im Folgenden genauer ansehen.

Wie ein Fußmarsch für Aufregung sorgte

Was also hat es mit diesem Fastenmarsch auf sich?

Vor knapp 70 Jahren, im Jahr 1954, sorgte eine Gruppe von 11 Personen für gewisse Aufregung in der medizinischen Fachwelt. Trotz eingehender Warnungen legten sie nämlich ganze 500 Kilometer ohne Nahrung zurück. Die einzige Versorgung bestand durch das Trinken von Wasser.

Niemand glaubte daran, dass diese Gruppe das Ziel erreichen würde und man ging davon aus, dass die unterbrochene Nahrungszufuhr zu emotionalen Ausbrüchen und Mangelerscheinungen führen würde, so wie man es aus Hungergebieten kannte. Dass zwischen Fasten und Hungern ein grundlegender Unterschied bestand, war damals in den Köpfen allerdings noch nicht sehr verbreitet.

Weil wir an die Heilkräfte der Natur in uns glauben

Tatsächlich kam die gesamte Gruppe „in auffallend guter körperlicher und seelischer Frische“ am Ziel an. Wie war das möglich?

Um das Heilfasten bekannter zu machen, wurde zehn Jahre später, im Jahr 1964, der Fastenmarsch zum zweiten Mal durchgeführt. Dieses Mal mit medizinischer Überwachung und eingehenden Untersuchungen hinsichtlich körperlicher Leistungsfähigkeit, Blutwerten, Stoffwechsel etc. Ein Labor-Bus begleitete die Gruppe von 19 Männern zwischen 18 und 53 Jahren über 10 Tage und 500 Kilometer Distanz. Auch der Stadtkreisarzt Dr. med. Karl-Otto Lay und Verfasser des oben genannten Kapitels in Dr. Ralph Birchers Buch war Teil der Fastengruppe. Statt nur Wasser zu trinken, wurden beim zweiten Marsch auch Frucht- und Rohsäfte getrunken, sowie pro Tag eine Vitamin-Mineralien-Kapsel, ein Teelöffel Kalk und Blütenstautabletten eingenommen. Die Gesamtkalorienzufuhr lag bei ca. 200 Kalorien pro Tag. Der durchschnittliche Gewichtsverlust betrug ca. 7 Kilogramm in 10 Tagen.

Auch beim zweiten Fastenmarsch kamen alle Teilnehmer wohlbehalten am Ziel an. Drei mussten aufgrund von Blasen an den Füßen eine kurze Strecke fahrend zurücklegen. Bei einem Teilnehmer wurde durch den Fastenprozess ein altes, rheumatisches Leiden aktiviert, das am Ende des Marsches allerdings restlos ausgeheilt war.

Abgesehen von Fußschmerzen gab es keinerlei Schädigungen, keine Anzeichen von Reizbarkeit, Herzschwäche oder Erschöpfung, im Gegenteil, die Männer waren gesund und fühlten sich wohl. Die Frage lag daher nahe, wie sich diese positiven Effekte erklären ließen.

Wozu der Körper fähig ist – medizinische Erkenntnisse

Aufschluss über die günstige Wirkung auf die Gesundheit gaben genaue medizinische Untersuchungen und Analysen. Blutwerte, Leberwerte, Elektrolyte, Alkalireserve und Eiweißwerte wurden vor und nach dem Marsch untersucht und es konnten keine negativen Auffälligkeiten festgestellt werden. Im Gegensatz, es gab sogar sichtbare Beweise dafür, dass einzelne Bereiche sich maßgeblich verbesserten und das Fasten einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislaufsystem hatte.

Besonders spannende Ergebnisse konnten bei Eiweißwerten und Blutzuckerspiegel beobachtet werden. Dr. med. Karl-Otto Aly geht in seinem Bericht diesen Resultaten auf den Grund und erläutert, dass es zunächst zu einem Blutzuckerabfall kam, während die Blutfette gleichzeitig anstiegen. Ab dem 7.Fastentag konnte allerdings ein Abfallen der Blutfettwerte auf den Ursprungswert beobachtet werden und parallel dazu ein Ansteigen des Blutzuckers. Die Vermutung lag nahe, dass zu Beginn des Fastens die fehlende Kohlehydratversorgung dazu führte, dass der Körper Fett zur Verbrennung mobilisierte. Nach ca. sieben Tagen stellte sich der Körper allerdings auf die neue Situation ein und konnte vermutlich aus körpereigenen Eiweißstoffen (bei nur ein Kilogramm Eiweißverlust!) genug Kohlehydrate gewinnen, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Dadurch reduzierte sich die Fettverbrennung entsprechend und der Blutfettspiegel sank wieder ab.

Woraus konnte der Körper die nötige Energie gewinnen?

Mann mit Lupe

Untersucht wurden Körpergewicht, Wasserumsatz, Fettumsatz, Stickstoffgleichgewicht und Grundumsatz. Daraus konnte abgeleitet werden, dass durchschnittlich fünf Kilogramm Fett, drei Kilogramm Wasser und ein Kilogramm Eiweiß an Gewicht verloren wurden. Der Eiweißverlust konnte folgendermaßen erklärt werden: Da Eiweiß nicht auf Vorrat für den späteren Gebrauch angelegt werden konnte, sondern sich bei normaler Ernährung ein Überschuss im Bindegewebe ablagerte, musste davon ausgegangen werden, dass die Eiweiß-Reserve aus den im Bindegewebe abgespeicherten Stoffwechselprodukten, auch Schlacken genannt, stammte. Wie wir heute wissen: Diese Schlacken sind unter anderem für vorzeitiges Altern und bekannte Zivilisationskrankheiten verantwortlich. Beim Fasten werden diese abgebaut und begünstigen dadurch eine positive Entwicklung des Herz-Kreislaufsystems.

Weitere Untersuchungsergebnisse des Fastenmarsches

Die Teilnehmer berichteten vom Frösteln und einem niedrigeren Schlafbedürfnis: Ein Zeichen dafür, dass Ruhe- und Arbeitstemperatur erheblich gesenkt wurden und der Organismus auf einen energiesparenderen Stoffwechsel umgestellt hatte. Außerdem wurde die durchschnittliche Pulsfrequenz verbessert, was zu einer optimierten Herz-Kreislaufleistung im EKG und auch zu einer Senkung des Blutdrucks führte. Das Muskel-Leistungsvermögen verringerte sich zunächst, erholte sich aber nach drei Wochen und war dann besser als am Anfang des Marsches.

Vorbeugende und heilende Wirkung des Fastens

Die Versuchsteilnehmer und insbesondere der Arzt Dr. Aly konnten mit diesem Fastenmarsch bereits im Jahr 1964 darauf hinweisen, dass Heilkräfte und Kraftreserven im Menschen schlummerten, die für die Heilung von Krankheiten eingesetzt werden können. Ihnen gelang es außerdem, zu zeigen, dass Fasten keinerlei Risiken für gesunde Erwachsene mit sich bringt, auch nicht bei großer körperlicher Belastung. Darüber hinaus war es ihnen schon damals ein Anliegen, die vorbeugende und therapeutische Wirkung des Heilfastens bekanntzumachen.

Sie waren somit Vorreiter in der Forschung rund um die positiven Effekte des Fastens und haben maßgeblich zu einem besseren Verständnis dessen beigetragen, was der Körper imstande ist, zu leisten. Zahlreiche aktuelle Studien belegen die Erkenntnisse von 1964, dennoch wird die außergewöhnliche Kraft des Heilfastens für unsere Gesundheit noch weit unterschätzt. Bleibt zu wünschen, dass wir in diesem Forschungsbereich zukünftig noch weitere bahnbrechende Ergebnisse verzeichnen und viele Menschen die gesundheitsfördernde Wirkung des Fastens selbst erleben werden!

* Der Nachname Bircher ist den meisten ein Begriff und zwar von den beliebten Bircher-Müslis, die von Birchers Vater, Maximilian Bircher-Brenner, entwickelt wurden.

Quellenangabe:
Bircher, Dr. Ralph: Geheimarchiv der Ernährungslehre. Rottenburg: Kopp, 2010. [Erstausgabe 1980, neue Auflage 2014 – beide im Selbstverlag)

Der Fastenmarsch - Kloster Pernegg - Podcast

Mehr zu diesem spannenden Thema erfahren Sie auf Spotify im aktuellen Podcast des Klosters Pernegg:

Podcastfolge 15: “Fastenmarsch”

1954 fand das erste Mal der Fastenmarsch statt. Eine kleine Gruppe von Männern legte 500 km zu Fuß zurück. Und das FASTEND. Wie lange sie dafür gebraucht haben, warum dieser Fastenmarsch eine Menge Aufruhr verursachte und welche Erkenntnisse daraus gewonnen wurden, erzählt Fastenbegleiterin Mag. Aneta Pissareva.

Hören Sie rein!

(Bild und Text von Kloster Pernegg)

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